Tierwohl
Bei Tieren wird es emotional. Kein Produktionszweig erzürnt die Gemüter so sehr, wie die Tierhaltung. Monika Hintze aus Trebel ordnet für uns die häufigsten Vorurteile aus Sicht einer Rinderzüchterin und Tierärztin ein.
Vorwurf #1:
Kühe den ganzen Tag einzusperren ist Tierquälerei!
Vorwurf #2:
Stallhaltung hat nichts mit Tierwohl zu tun!
Der Bedarf an Weidefläche ist extrem hoch. Stehen die Tiere auf einer zu kleinen Fläche, würden nach einer gewissen Zeit das von ihn vollgekotete Gras wieder fressen und dabei verwurmen. Gleichzeitig steigt die Nitratkonzentration auf der Fläche. Daher funktioniert vernünftige Beweidung nur bei sehr kleinen Betrieben oder in typischen Graslandschaften, wie wir sie großflächig nur noch im Emsland oder Allgäu finden. Einfach eine Wiese hinterm Stall zu offerieren ohne Weidemanagement und Witterungsschutz, erfreut möglicherweise das nicht fachkundige Verbraucherherz, hat aber nichts mit Tierwohl zu tun.
Viel wichtiger ist es, den Tieren einen top klimatisierten Stall mit viel Platz anzubieten, da auch Tiere mit Weidemöglichkeit übers Jahr gesehen die meiste Zeit im Stall verbringen. Wie alle anderen Haustiere übrigens auch.
Vorwurf #3:
Die Tiere trauern bei der Trennung von Kalb und Mutter!
Nicht solange wir sie kurz nach der Geburt trennen. Wenn man sie allerdings zu spät trennt, sieht man deutlich, dass die Kuh das Kalb sucht und das Kalb die Milch erst einmal verweigert, wenn sie nicht aus dem Euter kommt.
Daher ist es wichtig, die Bindung zwischen Kuh und Kalb gar nicht erst entstehen zu lassen. Wenn wir das Kalb wegbringen drehen sich die Kühe stets um und fangen an zu fressen. Das Kalb bekommt zügig die erste Milchflasche aus Menschenhand und erkennt uns dann als diejenigen an, die das Essen bringen.
Vorwurf #4:
Die Kühe leiden unter dem häufigen Melken!
Nur eine gesunde Kuh gibt viel Milch. Geht es einer Kuh nicht gut, merkt man das zuerst an der sinkenden Milchleistung. Häufiges Melken ist für die Kuh von Vorteil, da es ja ihr Euter entlastet. Sie selten zu melken wäre tierschutzwidrig. Ein Kalb würde ja auch nicht nur alle paar Tage zum saugen gehen.
Vorwurf #5:
Bauern stellen Profit über Tierwohl!
Tierhaltung gilt in der Landwirtschaft als am wenigsten profitabel, hat die schlechtesten Arbeitszeiten (365 Tage Betreuung) und den größten Personalmangel, weil niemand mehr im Stall arbeiten will. Daher ist dieser Produktionszweig wirklich nur etwas für diejenigen, die auch Lust haben, mit Tieren zu arbeiten.
Außerdem sind die politischen und gesellschaftlichen Anforderungen so hoch geworden, dass es sich für diejenigen, denen Viehhaltung nicht liegt, schon gar nicht lohnt. Würde ich also maximalen Profit anstreben, würde ich vieles im Leben tun, aber bestimmt keine Viehhaltung betreiben.
Überdies sind gesunde Tiere die Grundvoraussetzung, um in dieser Sparte Geld zu verdienen.
Vorwurf #6:
Bei so vielen Kühen merkt doch niemand, wenn es einer schlecht geht!
Da gibt es gleich mehrere Kontrollmechanismen. Zuerst natürlich visuell: Sieht das Tier krank aus? Da Kühe jedoch eine hohe Leidensfähigkeit besitzen, funktioniert das nur, wenn die Tiere bereits krank sind. Ziel ist es jedoch, die Tiere im Anfangsstadium der Krankheit zu identifizieren, um ihnen frühzeitig helfen zu können. Daher setzen wir bei allen Tieren ab dem Alter von ungefähr 1,5 Jahren eine recht kostspielige Sensortechnik ein, die frühzeitig bei kleinsten Veränderungen eine Alarmmeldung für das entsprechende Tier sendet. Der Sensor misst bei jedem Tier Fressdauer, Wiederkauaktivität, sowie das Bewegungsverhalten. Bei Kühen kommt zusätzlich noch ein Systemalarm bei Abweichungen der täglichen Milchmenge dazu, ebenfalls ein sensibler Parameter für die Kuhgesundheit.
Bei den Kälbern findet jeden Tag durch das persönliche Tränken und Füttern eine Kontrolle morgens und abends statt. Das Trinkverhalten ist hier einer der wichtigsten Parameter bei Krankheit oder Unwohlsein.
Vorwurf #7:
Menschen klauen den Kälbern die Muttermilch!
Die Kälber bekommen so viel Milch wie sie brauchen. Würden wir sie hungern lassen, würden sie krank werden, was in keinster Weise in unserem Interesse liegt. Sowohl aus Mitgefühl als auch aus wirtschaftlichen Gründen. Tiere gesund zu halten, ist der einzige Weg, dauerhaft von der Tierproduktion leben zu können. Hier gehen Tierschutz und Wirtschaftlichkeit Hand in Hand.